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Alt 13.11.2015, 18:42  
Schneckinger
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Standard Mindestbeckengrößen in Literatur und Internetdatenbanken

Hallo miteinander,

Immer wieder wird hier im Forum (und natürlich auch anderswo) über die für die verschiedensten Fischarten und die jeweils erforderlichen (Mindest-)Beckengrößen diskutiert. Gerade hier im Unterforum Besatzfragen geht es dann oft heiß her.

Ich möchte hier ausdrücklich nicht auf die speziellen Bedürfnisse einzelner Arten eingehen, aber auf eine wichtige Tatsache hinweisen, die leider häufig übersehen wird:

Häufig holen sich -gerade Aquaristikanfänger- die Angaben zu Mindestbeckengrößen aus Aquarienlexika (z.B. Mergus) oder aus den gängigen Internetdatenbanken (z.B. Zierfischverzeichnis oder Aquarienguide). Das ist grundsätzlich gar nicht mal völlig falsch. Beim Lesen der dort gelieferten Angaben sollte man aber folgendes bedenken:

Bei diesen Angaben handelt es sich im Normalfall nur um absolute
-MINIMALANGABEN
für die reine
-ARTHALTUNG*
der jeweils kleinstmöglichen, halbwegs artgerechten Menge der jeweiligen Fischarten.

So ergeben sich dann (gerade für den Anfänger mit relativ kleinen Becken) verlockend kleine Literangaben. Z.B. 200-250l für Skalare oder 100l für Mollys/Schwertträger.

Bei einer Haltung einer wirklich artgerechten Gruppe der jeweiligen Fischarten oder gar einer Vergesellschaftung mehrerer-vieler Arten vergrößert sich aber der Platzbedarf enorm. Er kann sich buchstäblich vervielfachen.

Nur als Beispiel:
es ist durchaus möglich (wenn auch meiner Meinung nach nicht empfehlenswert oder artgerecht) ein einzelnes, harmonierendes Skalarpärchen in einem 200l Standardbecken zu halten. Die Haltung einer Skalargruppe ist in einem derartigem Becken absolut nicht sinnvoll und dauerhaft machbar. Die Vergesellschaftung mit anderen Fischarten (speziell des freien Wassers) erst recht nicht.

Bitte also wirklich immer bedenken:
Fast alle Beckengrößen aus den genannten oder vergleichbaren Quellen sind absolute
Mindestangaben. Dazu sind sie leider häufig auch noch veraltet.

-In den meisten Fällen kann man die Angaben dort -selbst bei reiner Arthaltung- getrost um 50-100% erhöhen.

-Bei artgerechter Gruppenhaltung, die bei vielen Fischarten (Skalare, Diskus, die meisten Lebendgebärenden, diverse Welsarten...) sinnvoll ist, kann man schnell ein Mehrfaches der Mindestgrößen ansetzen.
-Bei Gesellschaftsbecken ist bei konkurrierenden Arten häufig ein enormer Platzbedarf vorhanden. Bei Arten, die sehr gut harmonieren/sich ergänzen, kann das wieder völlig anders aussehen.

Beispielsweise würde ich Skalare (Pterophyllum scalare) und Diskus (Symphysodon aequifasciatus) nur in wirklich sehr großen Becken und nur bei optimaler Gliederung des Beckens kombinieren. Dagegen werden sich Panzerwelse (Corydoras spec.) und Skalare kaum jemals in die Quere kommen.

Ein anderer Fehler ist es häufig, bei Angaben zu Beckengrößen für das „Wohnzimmerbecken“ die Werte professioneller Züchter/Zuchtanlagen heranzuziehen. Was bei

-vorübergehender Haltung in einem
-sterilen Zuchtbecken unter
-permanenter Überwachung aller Wasserparameter und
-hohem technischem Aufwand funktioniert, ist noch lange nicht

angemessen für die

-dauerhafte Haltung
-im Schaubecken in der Wohnung
-mit einer Reihe von Arten, die
-mit vertretbarem technischen Aufwand gehalten werden sollen.

Das (leider) viele (wenn auch nicht alle, es gibt die rühmlichen Ausnahmen) Aquarien“fach“händler jeden Fisch für fast jedes Becken empfehlen, ist leider eine traurige Tatsache.
Ähnlich ist es bei "professionellen" Händlerseiten im Netz. Hier werden häufig viel zu kleine Mindestangaben gemacht, um den potentiellen Kundenkreis zu vergrössern.

Im Zweifelsfall gilt bei den meisten (wenn auch nicht allen) Fischarten:
Zu viel Platz gibt es kaum. Zu wenig ist es aber sehr schnell und dann passt sich (leider) meist tatsächlich früher oder später der Bestand der Beckengröße an.

Sprich:
-Entweder die Fische bleiben weit unter ihrer artgemäßen Endgröße (=Kümmerwuchs)
-oder der Gesamtbestand passt sich durch „Aussterben“ der zu geringen Beckengröße an. Beides sollte ja wohl nicht das Ziel des verantwortungsbewussten Aquarianers sein

Tschüß,
Schneckinger

*Ich habe schon vor längerer Zeit die Betreiber dieser beiden beliebten Internetdatenbanken angeschrieben und um Auskunft zu den Literangaben in den Artbeschreibungen gebeten. In beiden Fällen wurde mir bestätigt, dass es sich um Mindestangaben für die Arthaltung handelt. Leider wird nirgends in den betreffenden Veröffentlichungen auf diese Tatsache hingewiesen.


Geändert von Schneckinger (13.11.2015 um 18:46 Uhr)
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