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Alt 12.01.2016, 21:51  
Schneckinger
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Hi,

ich schätze Heikows Beiträge sehr, seinen Beitrag aus dem "Konkurrenzforum" muß ich aber leider zumindest etwas zerpflücken:

Der Vergleich mit Feuerschwanz und Prachtschmerlen hinkt nicht nur, sondern ist völlig ungeeignet. Beide Schmerlenarten leben auch in der Natur dauerhaft in großen Schulen/Gruppen mit einer komplexen Sozialordnung. Beide Arten sind Naturformen, die in ihrem Verhalten nur gering-gar nicht durch den Menschen beeinflusst wurden. Dazu kommt bei beiden Arten ihre erhebliche Größe und ihre extreme Schwimmfreude/Verspieltheit. Insbesondere gilt das natürlich für die Prachtschmerlen, die mit über 30cm Gesamtlänge jedes übliche Wohnzimmeraquarium sprengen.

Jetzt im Gegensatz dazu die Betta splendens-HOCHzuchten:
Schon die Wildformen, aus denen diese Tiere gezüchtet wurden, leben nicht dauerhaft in größeren Verbänden. Die Männchen besetzen (teils erstaunlich große) Reviere, in denen keine anderen Männchen geduldet werden. Weibchen auch nur, wenn sie paarungsbereit sind und bei einigen Arten sehr eingeschränkt zu Brutpflege. Spätestens mit der "Selbstständigkeit" der Jungfische werden auch Weibchen heftigst vertrieben, häufig früher.

Und jetzt kommen (leider) die Eingriffe des Menschen dazu. Die Betta splendens Hochzuchten wurden über zigtausende von Generationen auf Aggressivität und Kampfkraft gezüchtet. Die Optik wr da lange Zeit eher (eine schöne) Nebensache. Diese (durch den Menschen verursachte) extreme Aggressivität steckt jetzt nun einmal in denTieren drin. Sie sind mit den Wildformen absolut nicht mehr vergleichbar.

Die Zucht auf extreme Flossenformen und Farben dagegen ist erst eine relativ neue Entwicklung, die ihren Anfang vor allem in Europa und den USA fand. Jetzt kommen natürlich auch die meisten Farb- und Formzuchten vorwiegend von den fleissigen Züchtern aus SO-Asien. Die -jetzt eigentlich überflüssige bis störende- Aggressivität wurde dabei "mitgeschleppt".

Natürlich könnte bzw. kann man diese extreme Aggressivität auch wieder "wegzüchten". Bei den Farb/Form-Bettas die nicht mehr extra auf Angriff gezüchtet werden, tauchen immer wieder zufällig relativ friedliche Tiere auf. Würde man diese Tiere gezielt selektieren und für einige Generationen extreme Farben und Formen als Zuchtziel etwas zurückstellen, könnte man sicher relativ schnell zu -RELATIV- verträglichen Betta splendens kommen.

Leider gibt es (noch) keinen "Massenmarkt" für derartige, friedliche Bettas. Viele Aquarianer wollen immer extremere Flossen und immer "tollere" Farben. Das Verhalten ist vielen Haltern leider völlig egal, weils die Tiere ja sowieso in Winzigstbecken "ausgestellt" werden.

Persönlich würde ich eine einzelnene Betta splendens Hochzucht nicht in Becken unter 30l halten. Wobei mir absolut bewusst ist, dass die Haltung auch in deutlich kleineren Behältnissen möglich ist. Warum nicht einem einzelnen B.splendens Männchen ein Reich von 30-60l einrichten? Das bietet viel mehr Möglichkeiten zur Bepflanzung/Dekoration als die häufigen Betta"käfige" mit 12-20l. Und der technische/finanzielle Aufwand ist kaum größer als bei den Minibecken. Im Gegenteil: Viele der "Design"miniKaFi-Becken kosten ein mehrfaches eines Standard 54l-Beckens.

Durchschnittliche Exemplare von Betta splendens würde ich weiterhin absolut nicht im üblichen Gesellschaftsbecken halten. Und auch die Haremshaltung im 60cm-Becken würde ich im Normalfall ablehnen. Das mag bei ungewöhnlich friedlichen Exemplaren (dauerhaft) funktionieren. Für die durchschnittlichen B.splendens Hochzuchten bedeutet es extremen Streß.

Wenn man die Betta splendens aus ihrer Einzelhaltung erlösen will, gibt es in meinen Augen mehrere Möglichkeiten:

-Komplett auf Betta-splendens Hochzuchten verzichten und auf friedlichere Wildbettaarten umsteigen. Duras (leider ja aus dem Forum hinausgeekelt) und auch Dana haben da ja einige tolle Arten im Forum präsentiert.
-konsequent auf "Friedlichkeit" züchten. Alle extrem aggressiven B.splendens aus der Zucht ausschließen, und nur die friedlichsten Tiere weiter vermehren, auch wenn man dann -zumindest vorrübergehend- Abstriche bei der Optik machen müßte.
-Die Hochzuchten in EXTREM große Becken setzen. Dann wäre eine "naturnahe" Haremshaltung möglich. Das würde dann aber schon bei einem Harem mit 1M und 2W Becken ab 150cm Länge bedeuten. Nur hier könnten sich die Tiere -bei passendem Layout- auch für längere Zeit komplett aus dem Weg gehen. Und mal ganz ehrlich: Wie viele Aquarianer wären bereit so einen Tank für drei Bettas hin zu stellen?

Insgesamt muß ich sagen, dass für mich persönlich das Thema Betta splendens Hochzuchten durch ist. Ich habe diese Tiere in meiner Anfangszeit gehalten und gezüchtet, bzw. eine große Zuchtanlage meines Großvaters -mit zeitweise an die 200 adulten Bettas- mitbetreut. Mittlerweile empfinde ich viele der extremen Hochzuchten als tierschutzbezogen maximal grenzwertig. Extreme FlossenZUCHTformen kommen mir bei keiner Fischart mehr in meine Becken :-)

Die faszinierende Welt der Wildbettas dagegen könnte mal etwas für mich werden, wenn ich wieder mehr Zeit für mein Hobby habe. Als Rentner z.B. ;-)

Tschüß,
Schneckinger
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