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Alt 09.10.2016, 00:35  
Dumdidum
 
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Zeit für Teil 2, hab ja lange nix verlauten lassen hier

Ich schnappe mir mal das wichtigste, weil davon eigentlich alles andere abhängt.
Ein paar Sachen reisse ich nur kurz an, weil es für mich nicht in Frage kommt. Bei mir wird es wieder ein Riffaquarium.
Dementsprechend wird sich später alles weitere in diesem Thread auf ein Riffaquarium beziehen und ist nicht allgemeingültig.

Also:
Welche Tiere will ich überhaupt halten?
Hier muss man sich zwingend ausgiebig informieren, bevor man überhaupt beginnt, ein MW-Becken zu planen.
Die Auswahl an Tieren ist im Meerwasser wesentlich vielseitiger als im Süßwasser.
Es mag vielleicht im SW mehr aquariengeeignete Fischarten geben als im MW, bezieht man aber Korallen, Anemonen, Garnelen, Krabben, Schnecken, Seewalzen, Krebse, Seeigel, Seesterne, Schlangensterne etc mit ein, ist die Vielfalt im MW bedeutend größer als im SW.
Genau diese wundervolle Vielfalt, die viele Leute zum Hobby MW bringt, ist gleichzeitig das größte Problem.

Im Riff bekriegen sich quasi alles und jeder permanent und gleichzeitig. Fische und andere bewegliche Tiere kämpfen um Reviere und Futterquellen, Korallen und höhere Algenarten bekriegen sich auf chemischem Weg, um sich einen Siedlungsplatz zu sichern, nämlich den mit dem für sie besten Licht-/Strömungsverhältnis.
Es zanken sich natürlich nicht alle Fischarten ständig untereinander, aber wenn es drauf ankommt, gibt es im MW wirklich fast keine "harmlosen" Arten.
Manche Arten können auch gar nicht miteinander, manche sind für sich genommen so extrem Revierbildend, daß sie einfach alles angreifen, was im Becken ist - das ganze Becken ist das Revier. Da greifen auch 5cm Fische ausdauernd 15-20cm große, selbst eigentlich wehrhafte Fische an.
Manche Tiere funktionieren, wenn man sie gemeinsam, also gleichzeitig einsetzt.
Als Beispiel eine Erfahrung von mir:
Ich habe einen Zebrasoma flavescens und einen Ctenochaetus tominiensis gemeinsam eingesetzt. Alles prima. Beide neu im Becken, haben sich zusammen eingewöhnt, außerdem zwei sehr verschiedene Doktorarten, Zebrasomas sind dabei meist die ruhigeren Gesellen.
3 Monate später habe ich einen Acanthurus pyroferus eingesetzt, der gerade dabei war, sich umzufärben.
Der Tominiensis hat ihn fast gekillt, voller Einsatz des Skalpells, 2-3cm lange Schnittwunden, hat nur wenige Minuten gedauert. Ich habe meine Frau mit Vollgas zum Baumarkt geschickt, eine Acrylglasscheibe kaufen. Bis sie zurück war, habe ich per Hand im Becken versucht, die beiden auseinander zu halten. Mit wenig Erfolg. Habe mit der Scheibe dann eine Ecke des Beckens abgetrennt. Den Pyroferus konnte ich zu dem Zeitpunkt bereits mit der Hand einsammeln, der war vollkommen fertig. Normalerweise fängt man MW-Fische gar nicht, ein Netz ist eine unnötige Anschaffung...
Die Heilfähigkeit von Doktoren ist verblüffend. Nach einer Woche waren nur noch blasse Narben zu sehen, der Acanthurus war wieder fit.
Also Scheibe weg - und der Acans hat dem Tomi gezeigt, welche Doktorenart die aggressivste im Riff ist, nämlich Acanthurus...
Er war danach der Chef, schnell größer als der Tomi und hat diesen später ignoriert.
Ich habe nie wieder versucht, zu verschiedene Doktoren zu vergesellschaften, und schon gar nicht nacheinander...


Sobald verschiedene Tierarten aufeinander treffen, wird die Sache richtig kompliziert.
Manche Fische fressen Korallen an, mal nur bestimmte Arten, manchmal alle, selten einmal hat aber vielleicht ein bestimmtes Exemplar einer als Korallenkiller verpöhnten Fischart überhaupt keinen Appetit darauf und lässt die Korallen komplett in Frieden - nur um ein Jahr später aus unerfindlichen Gründen plötzlich doch einen riesigen Hunger auf besonders teure und schöne SPS zu bekommen.
Manche Fische fressen Krebstiere und Garnelen.
Ein Drückerfisch killt mit großer Wahrscheinlichkeit den lieb gewonnenen Seeigel.
Es geht aber auch anders. Räuberische Krebs-, Wurm- oder Krabbenarten schnappen sich vielleicht des nachts einen schlafenden Fisch. Oft hat man keine Ahnung, warum plötzlich ein Fisch verschwunden ist, z.B. weil man sich irgendetwas mit dem Lebendgestein eingeschleppt hat, das äußerst scheu und nachtaktiv ist. Dann kann es mitunter Wochen oder Monate dauern, bis man den Übeltäter entdeckt. Oder Korallen werden angefressen.
Das schlimmste, was einem in der Hinsicht passieren kann, sind Fangschreckenkrebse oder dieses Schätzchen hier:
https://www.meerwasser-lexikon.de/ti...rschiedene.htm
Fängt man sich sowas ein, hat man ein echtes Problem.
Ärgerlich genug kann aber auch dieses kleine Biest sein:
https://www.meerwasser-lexikon.de/ti..._sp.htm#kattyp
Ich habe mich mal über einen längeren Zeitraum gewundert, warum meine nützlichen und sauteuren Schnecken immer weniger wurden, bis ich den richtigen Verdacht hatte und dann irgendwann nachts einen Leo erwischt habe...
Korallen, Anemonen und Algen bekämpfen sich auch, dies hauptsächlich über Nesselgifte, mit denen sie sich gegenseitig schwächen und abtöten, Algen überwuchern geschwächte Korallen und schaden diesen, Anemonen nesseln sehr stark und können sich zum Überfluss bewegen, Caulerpa-Algen sondern Caulerpin ab und "versauen" so langsam aber sicher das Wasser, wodurch wiederum die Korallen leiden etc
Aber auch Korallen scheiden diverse Chemikalien aus, und sei es nur, daß sich Teile der Schleimhaut lösen. Dies erschwert z.B. ein dauerhaft erfolgreiches Halten von Weich- und Lederkorallen zusammen mit LPS und SPS, da besonders die SPS darunter leiden.

Das als groben Überblick darüber, mit was für Kleinkriegen man in einem MW-Becken rechnen muss.

Man sollte sich also Gedanken darüber machen, welche Art von Becken man einrichten möchte.
Ich unterteile für mich mal folgende Arten:

Riffaquarium
Mein Favorit, weil vielseitig, wenn auch mit entsprechend vielseitigen Problemen.
Hier versucht man, die gesamte Vielfalt zusammen in einem Becken zu halten, also alle möglichen Arten von Fischen, Korallen und allem, was da noch so kreucht und fleucht.
Was man bei der Planung eines solchen Beckens alles berücksichtigen muss, erzähle ich ein anderes Mal ausführlich.

Korallenbecken
Wie der Name schon sagt: Etwas für Leute, die nicht unbedingt Fische wollen (oder nur 1-2 kleine) und den Schwerpunkt auf einen schönen Korallengarten legen.

Fischbecken
Für Leute, die keine Lust auf die aufwendige Korallenpflege legen, aber Fische lieben.

Artenbecken
Kann alles mögliche sein. Fangschreckenkrebse, Tintenfische, in meinen Augen Anemonen etc sind alles Kandidaten für ein Artenbecken.
Einseitig, aber ganz bestimmt deswegen nicht langweilig.


Soviel für heute.
Demnächst werde ich schildern, wie ich mir ein Riffaquarium vorstelle und was ich alles bei der Planung zu berücksichtigen versuche.
Z.B., keine Fressfeinde eventuell irgendwann mal wegen Plagegeistern notwendiger "biologischer Waffen" gegen eben diese Plagegeister zu kaufen - egal wie schön sie sind. Oder keine Fressfeinde eventuell nötiger "lebender Biofilter" zu kaufen. Oder keine möglichen chemischen Zeitbomben zu kaufen, wie z.B. diese hier:
https://www.meerwasser-lexikon.de/ti...ogu.htm#kattyp
- auch wenn die wirklich wunderwunderschön sind...

Ich hoffe, hiermit zumindest einen kurzen Überblick über die unzähligen Gründe, sich !VORHER ZU INFORMIEREN!, gegeben zu haben.

Mehr folgt, ähm, keine Ahnung wann

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