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Alt 25.08.2017, 18:52  
Algerich
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Wohnungsräumung, wenn das Aquarium allein zurück bleibt?

Den Anfang soll hier natürlich die Entscheidung eines wirklich wichtigen Gerichts machen, und so beginnen wir mit einem Beschluss des Bundesverfassungsgerihts. Der ist am 24. Mai 2016 zum Aktenzeichen 1 BvQ 16/16 ergangen und kann unter diesem Aktenzeichen auf der Homepage unseres Bundesverfassungsgerichts gefunden werden.

Leider erzählen die Gerichte den Sachverhalt nur immer so, wie er die Juristen interessiert, aber wir können uns einiges erschließen:

Da war ein Mieter (eine Firma, aber das tut nichts zur Sache), dem der Vermieter wegen Mietschulden gekündigt hatte. Nicht nur das: Der Vermieter betreibt auch die Zwangsvollstreckung, also die Räumung der Wohnung durch den Gerichtsvollzieher. Das sind immer dramatische Vorgänge: Die Menschen werden mit Gewalt aus der Wohnung entfernt, die Möbel etc. durch den Gerichtsvollzieher eingelagert.

Dem wollte der Mieter in unserem Fall zuvorkommen und beantragte beim Bundesverfassungsgericht eine Einstweilige Anordnung, zu deren Begründung er unter anderem darauf verwies, dass in den Räumen ein Meerwasseraquarium stände, das er versorgen müsse.

Das Bundesverfassungsgericht nahm diesen Einwand durchaus ernst, was sich in der Juristensprache so anhört: "Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin nach § 2 Nr. 1 des Tierschutzgesetzes zur Pflege und Ernährung der in dem Aquarium gehaltenen Meeresfische verpflichtet ist. Das Vollstreckungsgericht ist daher ... zu einer besonders sorgfältigen Abwägung unter Berücksichtigung der Tierschutzbelange gehalten."

Eigentlich tröstlich zu wissen, dass die Fische nicht einfach zu Grunde gehen müssen, weil dem Halter das Geld für die Miete ausging. Wie das mit der Juristerei aber so ist, konkret geholfen hat es nicht: Denn das Bundesverfassungsgericht meinte, ehe man eine einstweilige Anordnung bei ihm beantrage, hätte man einen entsprechenden Antrag beim Ausgangsgericht stellen müssen, wie es § 765a der Zivilprozessordnung vorsieht. Rechtlich ist das auch durchaus zutreffend - nur die Bewohner des Meerwasseraquariums haben nicht mehr viel davon.

Außerhalb der Welt der Justiz bleibt der Fall vielleicht in mehrerlei Hinsicht interessant: Denn natürlich kann es - so verlockend das auch wäre - keinen Grundsatz geben, dass der Aquarianer seine Miete schuldig bleiben darf, um seine Fische zu versorgen. Wie aber gibt man ein Meerwasserbecken im Tierheim ab oder wie will der Gerichtsvollzieher ein 1.000-Liter-Becken einlagern?

Hoffen wir für Fische und Aquarianer in diesem Land, dass diese Fragen theoretische bleiben.

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