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Alt 07.10.2017, 23:27  
Otocinclus2
 
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Standard Noch mal Angeln...

In dem nachfolgend dargestellten Rechtsfall ist der unter Fischen wohl eher nicht so ganz beliebte Angelsport nur über einen Umweg, aber nichts desto weniger entscheidend, hineingekommen...

Das Verwaltungsgericht Regensburg hatte im Jahr 2016 über den Antrag eines Grundstückseigentümers auf "Befriedung" seines Grundstückes gem. § 6 a BJagdG zu entscheiden (VG Regensburg, Urteil v. 10.05.2016 – RN 4 K 16.8).
http://www.gesetze-bayern.de/Content...-47365?hl=true


"Befriedung" in einem solchen Fall bedeuted, dass das Jagdrecht eines Jagdberechtigten, mit dem dieses Grundstück "belastet" ist, nicht mehr ausgeübt werden darf.

Der Grundstückseigentümer begründete seinen Antrag mit ethischen Gründen: Die Viecherl (die Sache spielt in Bayern, deshalb "Viecherl") taten ihm ach so leid.
("Unter dem 27.4.2015 ließ der Kläger durch seine Bevollmächtigte vortragen, dass der Kläger mit seinem Gewissen nicht vereinbaren könne, dass viele Wildtiere durch die Jagd einen qualvollen Tod sterben.")

Sein Pech:
Im gleichen Zeitraum hatte er seine Fischereiprüfung bestanden.

("Dem Landratsamt ... wurde am 6.3.2015 mitgeteilt, dass der Kläger die Fischerprüfung abgelegt habe. Der Markt T... bestätigte, dass dem Kläger am 6.3.2015 ein Fischereischein ausgestellt worden war.")

Und da mochte man ihm seine ach so hehre Gesinnung nicht mehr abkaufen. Und das, obwohl er noch vortragen ließ:

"Die Fischerei, insbesondere die Art und Weise, wie sie vom Kläger ausgeübt werde, könne nicht mit der Jagd verglichen oder gar gleichgestellt werden. Er betreibe die Fischerei nur zur Entspannung und Erholung, insbesondere aus gesundheitlichen Gründen."

Ergänzend wies er auch noch darauf hin, dass Fische ja wissenschaftlich anerkannt keinen Schmerz empfinden könnten.

Dem sezten die Richter aber in den Urteilsgründen entgegen:

"Der Kommentar Hirt, Maisack, Moritz zum Tierschutzgesetz (3. Auflage § 1 Rn. 16) führt aus, hinsichtlich der Fische sei die Schmerzfähigkeit lange Zeit umstritten gewesen, im Gegensatz zu ihrer Leidensfähigkeit, die schon seit langem außer Zweifel stehe. Die Rechtsprechung gehe heute überwiegend auch von Schmerzfähigkeit aus. Dies entspreche dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis. Kriterien ließen sich bei Fischen weitestgehend nachweisen. Nozizeptoren würden nicht nur bei Forellen, sondern u. a. auch bei Goldfischen und Karpfen gefunden; ebenso ließen sich Aspartat und Glutamat, die beim Menschen für die Schmerz-Signal-Übertragung eine Rolle spielten und bestimmte, für die Schmerzreizleitung wichtige Neuropeptide bei Fischen nachweisen. Auch das Meideverhalten sei hinreichend belegt. Nur noch 10% der Forellen, die einmal geangelt und wieder zurückgesetzt worden seien, gingen ein zweites Mal an die Angel, wobei das Meideverhalten auch über längere Zeiträume anhalte. Körpereigene Opioide und Benzodiazepinrezeptoren als Voraussetzung für die Wirksamkeit von Schmerzmitteln dieser Wirkstoffgruppe seien ebenfalls nachgewiesen worden. Nach allen Maßstäben, mit denen wir Schmerzen beim Menschen diagnostizierten, müsse nach diesen Untersuchungen Fischen Schmerzfähigkeit attestiert werden. Dagegen sei zwar von Rose eingewendet worden, dass Fische über keine Großhirnrinde (Neocortex) verfügten und es sich deswegen bei den gezeigten Verhaltensreaktionen auch nur um unbewusste, automatische Schutzreaktionen ohne gleichzeitige subjektive Empfindungen handeln könne. Inzwischen sei aber festgestellt worden, dass die Verarbeitung der Schmerzreize bei Fischen in anderen definierten Bereichen des Großhirns (Telencephalon) stattfinden. In Anbetracht der vielen erfüllten Schmerzkriterien erscheine es zwingend, davon auszugehen, dass diejenigen Funktionen, die bei Menschen im Neocortex ablaufen, beim Fisch an anderer Stelle des Gehirns lokalisiert seien."

Was dann auch dazu führte, dass die Klage abgewiesen wurde.


Auch wenn es die rund 4 Millionen Angler in Deutschland immer noch nicht ensehen wollen, bei Gerichten dringt mittlerweile die Erkenntis durch, dass Fische Schmerzen empfimden können.


Ich bin gespannt, wie lange man in Deutschland noch "zum Vergnügen" angeln darf.




Gruß
Otocinclus2

Geändert von Otocinclus2 (07.10.2017 um 23:34 Uhr) Grund: Link nachgetragen
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