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Alt 16.03.2018, 23:50  
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Standard Cropfaktor - ISO Wert

2.3 ISO-Wert

Wie sich der gleiche ISO-Wert bei unterschiedlichem Cropfaktor auswirkt, haben ja schon die ersten 6 Bilder dieses Kapitels hoffentlich eindrucksvoll genug belegt.

Warum das so ist könnte ich jetzt mit etwas Mathematik und Physik herleiten, ich bediene mich aber mal eines anschaulichen Vergleichs, der die Sache gut beschreibt.

Das Licht malt die Bilder wie mit einem Pinsel auf den Sensor. Wenn das Licht mit zuwenig dünnen Pinselstrichen den Sensor nicht ausmalt, dann kann man über einen höheren ISO-Wert die Dicke der Pinselstriche anheben. Auf einer Briefmarke malt man mit dem dicken Pinsel die Striche jetzt teilweise übereinander, so dass die Pinselstriche miteinander verschwimmen. Malt man mit einem gleich dicken Pinsel die gleichen Pinselstriche auf einem DIN A4 Blatt, überlagern sich die Pinselstriche nicht. Vergrößert man hinterher die Briefmarke auf die Größe des DIN A4 Blattes, so hat man noch dickere verwaschene Pinselstriche. Dabei gehen natürlich viele Details verloren.

Wie aber muss ich den ISO-Wert verändern, um bei unterschiedlichem Cropfaktor die gleiche Bildqualität zu erhalten ?

Um die gleiche Bildqualität zu erhalten, muss man auf Sensoren mit größerem Cropfaktor einen kleineren ISO-Wert wählen. Dadurch sinkt allerdings wieder die Helligkeit, was man durch eine offenere Blende (oder alternativ durch eine längere Belichtungszeit) kompensieren kann.
Wenn ich die Helligkeit über die Blende kompensiere, erhalte ich tatsächlich ein zumindest theoretisch identisches Ergebnis, denn ich kompensiere neben der Helligkeit auch gleichzeitig den Effekt des Cropfaktors auf die Tiefenschärfe.

Ich habe wieder mal zwei Beispielbilder, bei dem ich den ISO-Wert so angepasst habe, dass die gleiche Bildqualität dabei herauskommt. Die Helligkeit habe ich über die Verschlusszeit kompensiert. Wieder als 100% Crop, gleiche Motiventfernung, 28mm KB Brennweite und einer Blende von F3.5.

1/2,3" Sensor, Cropfaktor 5.6, 1/8s, ISO400
Grundlagen der (Aquarien-)Fotografie-dsc02906_crop.jpg

1" Sensor, Cropfaktor 2.7, 1/30s, ISO 1600
Grundlagen der (Aquarien-)Fotografie-dsc02920_crop.jpg

Die Bilder sind gleich hell und haben auch ungefähr die gleiche Qualität (der größere Sensor ist trotzdem noch einen Tick rauschfreier). Wie komme ich aber dazu, beim kleinen Sensor ISO 400 mit 1/8s zu wählen und beim größeren Sensor ISO 1600 mit 1/30s ?

Unterschiedliche Cropfaktoren kann man relativ zueinander betrachten. Der Cropfaktor gibt ja das Größenverhältnis zu einem Vollformatsensor (mit Cropfaktor 1) an. Mit einem einfachen Dreisatz komme ich nun dazu, dass der kleine Sensor mit Cropfaktor 5.6 zum großen Sensor mit Cropfaktor 2.7 einen relativen Cropfaktor von 5.6/2.7 = 2.07 hat. Die Fläche großen Sensors ist also ca. 2.07x2.07=4.3 mal so groß, also ungefähr 4, was der 4-fache Helligkeit entspricht (2 Blendenstufen ). Ich kann also auf dem großen Sensor einen 4 mal so hohen ISO-Wert wählen und muss nur 1/4 der Zeit belichten (1/30s ist ungefähr ein Viertel von 1/8s).

Mit dem Cropfaktor verhält es sich zahlenmäßig genauso wie mit den Blendenzahlen. Bei einem Cropfaktor von ungefähr 1.4 (Wurzel aus 2) muss man den ISO-Wert auf die Hälfte verringern, um die Gleiche Bildqualität zu erhalten. Das wiederum führt zu einer Halbierung der Helligkeit (= 1 Blendenstufe), was man wiederum durch eine Verkleinerung der Blendenzahl um den Faktor 1.4 (= 1 Blendenstufe) kompensieren kann.

So langsam sollten wir jetzt dahinter gekommen sein, warum man bei der Fotografie immer von "Blendenstufen" spricht, wenn man eine Veroppelung der Helligkeit mein. Wenn man einen Bogen um Vergleichberechnungen mit so komischen Dingen wie "Logarithmus zur Basis Wurzel 2" machen möchte, merkt man sich einfach die krummen Zahlen der Blendenreihe als jeweils eine Blendenstufe und kann dann ganz einfach mit dem Rest mittels Multiplikation und Division rechnen.

Zusammenfassung

Wir schließen nun den Kreis.

Blende: Die Blendenreihe ganzer Blendenstufen besteht aus den Blendenzahlen F1.0, F1.4, F2.0, F2.8, F4.0, F5.6, F8.0, F11, F16, F22 etc. Von einer Zahl zur nächsten sind es 1 Blendenstufe. Eine Blendenstufe mehr entspricht der halben Helligkeit.
Verschlusszeit: Eine Verdoppelung der Verschlusszeit entspricht 1 Blendenstufe.
ISO-Wert: Eine Verdoppelung des ISO-Wertes entspricht 1 Blendenstufe

Der Cropfaktor steht in einem festen Verhältnis zu den Blendenzahlen. Ein Cropfaktor von 1.4 entspricht 1 Blendenstufe. Ein Cropfaktor von 2 entspricht 2 Blendenstufen, eine Cropfaktor von 2.8 entspricht 3 Blendenstufen usw.

Brennweite: Die tatsächliche Brennweite multipliziert man mit dem Cropfaktor, um auf die KB-äquaivalente Brennweite zu kommen.
Blende: Die Blende multipliziert man mit dem Cropfaktor, um auf eine bzgl. der Tiefenschärfe gleiche Blende zu kommen.
ISO-Wert/Verschlusszeiten ISO-Wert teilt man durch das Quadrat des Cropfaktors, um die gleiche Bildqualität zu erhalten. Die Verschlusszeit multipliziert man mit dem Quadrat des Cropfaktors, um dabei die gleiche Helligkeit zu erhalten.

Das mal auf gängige Sensorgrößen bezogen (gerundet):

APS-C/DX Sensor, Cropfaktor 1.5: 1 Blendenstufe
MFT-Sensor, Crop faktor 2: 2 Blendenstufen
1" Sensor, Cropfaktor 2,7: 3 Blendenstufen
1/2,3" Sensor, Cropfaktor 5,6: 5 Blendenstufen
1/3" Handy Sensor, Cropfaktor 6-7: 5,5 Blendenstufen.

Vereinfacht gesagt ist eine Vollformatkamera (mit gleichen Objektivparametern) unter dem Strich 35-mal so lichtstark wie ein Handy.


Zwischen dem 1" Sensor und dem 1/2,3" Sensor klaffen etwas mehr als 2 Blendenstufen die man an den Beispielbildern deutlich sieht. Zwischen einem APS-C-Sensor und einem 1" Sensor sind es etwas weniger als 2 Blendenstufen. Auch das sieht man, allerdings nicht so deutlich.

Meine Empfehlung: Ab einem 1" Sensor macht Fotografieren wirklich Spaß, dann kann man auch mit der Tiefenschärfe spielen und muss nicht gleich die Segel streichen, wenn die Sonne mal nicht so hell scheint oder man kurze Belichtungszeiten braucht. Mit noch größeren Sensoren macht es natürlich noch mehr Spaß, es wird aber auch gleich größer, schwerer, teurer.
Mit einem 1/2,3" Sensor hingegen geht nicht viel mehr als "Knipsen".


Jetzt ist die ganze Theorie endlich durch und der Erklärbär geht schlafen

Ich hoffe es hat bis hierhin gefallen, dann mache ich auch im nächsten Kapitel mit dem Fotografieren der Fische weiter.
Angehängte Grafiken
Dateityp: jpg DSC02906_crop.JPG (282,3 KB, 98x aufgerufen)
Dateityp: jpg DSC02920_crop.JPG (278,3 KB, 97x aufgerufen)


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