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Alt 14.07.2018, 20:41  
Otocinclus2
 
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Standard Und scho wieder: Teure Kois!

Der heutige Rechtsfall bietet leider keine Skurrillitäten, wie sie bei den vorangegangenen Fällen zu berichten waren, ist also eher etwas dröge. Und das, obwohl die Aquarianer bekannt, ach was - geradezu berüchtigt dafür sind, sich etwas mehr oder weniger abseits des Mainstreams zu bewegen...
Aber immerhin:
Hier wird ja immer wieder (und leider allzu oft nicht ganz zu Unrecht) über unzureichende Beratung im Fachhandel berichtet. Der nachfolgend referierte Rechtsfall belegt (mit hoffentlich mahnender Wirkung auf den Fachhandel), dass dies für den Händler richtig teuer werden kann.


Das Landgericht Krefeld hatte ab dem Jahr 2009 in dem Verfahren 2 O 107/09 über den nachfolgend dargelegten Fall zu entscheiden (wobei die Richter sich rund 3 Jahre Zeit ließen, denn das Urteil erging erst am 22.03.2012, aber gut Ding will ja auch Weile haben ):


Der Kläger (K) und seien Ehefrau (D) hatten auf ihrem wohl nicht ganz so kleinen Grundstück (also vermutlich keine Doppelhaushälfte) einen Teich, der für sich immerhin schon die Ausmaße von mehreren hundert Quadratmetern aufwies.
Da darf man sich nicht wundern, wenn der Besatz dieses Teiches auch nicht ganz alltäglich war. Immerhin eine dreistellige Zahl an Koi-Karpfen!

Und wenn man bedenkt, dass es einige mehr oder weniger besonnene Menschen gibt, die durchaus bereit sind, für einen einzigen Koi einen Betrag zu zahlen, mit dem andere ihr für Generationen gedachtes Eigenheim finanzieren...(https://www.welt.de/wissenschaft/art...t.html)...dann darf man sich nicht wundern, dass es im Folgenden um mehr geht, als um eine Tüte falsch beratend verkaufter Neons für ein Kaltwasserbecken.


Wie gesagt:
Der K beherbergte in seinem bescheidenen Teich eine dreistellige Zahl (rund 340) von zum Teil sehr wertvollen Kois, die insgesamt einen sechsstelligen Wert hatten - wohlgemerkt: in Euro, nicht in Yen! Außerdem noch eine unbestimmte Zahl von sonstigen kleineren Fischen - also gewissermaßen unbedeutendes Fuß- bzw. Flossenvolk, das wertmäßig nicht weiter ins Gewicht fällt (wohlgemerkt: merkantil berechnet - nicht ethisch!)

Dieser Teich verfügte über 3 Fontänen, die für eine Oberflächenbewegung sorgten, sowie über 6 Pumpen, die für die Wasserzirkulation (und wohl auch Filterung - wir müssen vermuten, dass die die wohl aquaristisch unbedarften Richter den Sachverhalt insoweit unvollständig erfasst und mitgeteilt haben) sorgten. Also alles nur wenig aufwendiger als das Projekt, dass wir aktuell bei Gerd (radlhans) bewundern dürfen.



K und D waren schon seit Jahren Kunden bei der Beklagten (Händler).
Der Zeuge G war schon seit dem Jahr 2000 Angestellter bei der Beklagten (B). Er hielt selbst auch Kois in einem eigenen Teich. Er kannte auch den Teich des Klägers aus zahlreichen Besuchen bei ihm, war also mit der "Grundsituation" vertraut.


Im Mai 2008 untersuchte eine Tierärztin den Fischbestand im Teich und nahm Abstriche von der Haut und den Kiemen mehrer Kois, da K sich mit der Absicht trug, Neukäufe für den Teich zu tätigen. Aufgrund einer Empfehlung dieser Tierärztin führte D aus "prophylaktischen Gründen" vor dem Neukauf der Tiere in der Zeit um den 18.05.2008 eine Behandlung des gesamten Teiches mit Kaliumpermanganat durch.
Was man von solchen "vorsorgenden" Behandlungen von noch gar nicht festgestellten Erkrankungen und damit von solchen tierärztlichen Empfehlungen halten soll, sei mal dahingestellt.


Trotz dieser prophylaktischen Behandlung stellte D nach einigen Tagen bei einem Koi eine Verletzung mit Anzeichen einer Pilzerkrankung fest. Sie wandte sich hilfesuchend an G, den sie im Geschäft der B aufsuchte. G sprach die Möglichkeit einer weiteren Behandlung des ganzen Teiches mit dem kupferhaltigen Präparat "E M C U" (diese [sicherlich anonymisierte] Abkürzung des Präparatnamens wird in der offiziellen Urteilsveröffentlichung verwendet. Ich will hier nicht spekulieren, ob es sich dabei um ein Breitbandmittel gegen "alle" Krankeiten einer holländischen Firma handelt - uuups, spekuliere ich jetzt doch? ) an, und zwar in der Dosierung von 40 Litern (= 8 Kanister à 5 l). Dieses Mittel hatten K und D auch schon vorher bei anderen Gelegenheiten für ihren Fischbestand eingesetzt.

Drei im Laden befindliche Kanister gab G der D sofort, die restlichen Kanister lieferte er am selben Tag vor Ort an und überzeugte sich dabei über den Zustand des Koi-Bestandes. Außer dem einen verletzen Koi konnte er nichts feststellen. Er riet gleichwohl dazu, 6 Kanister des Breitbandmittels sofort und jeweils 1 Kanister an den darauffolgenden Tagen in den Teich zu geben. D hatte ihn zuvor auf die vorherige Zugabe von Kaliumpermanganat hingewiesen.


Am Morgen nach der Zugabe der 6 Kanister zeigten die Kois Krankheitssymptome wie erhöhte Atemfrequenz, Schnappen nach Luft, orientierungsloses Scwimmen etc... D rief den G um Hilfe, der an Ort und Stelle eine Wasseranalyse machte. Er beschaffte dann (angeblich nach Beratung von dritter Seite) 2,2 kg Ascorbinsäure (= Vitamin C), die er noch am selben Tag um ca. 14:00 Uhr in den Teich gab.


Fazit der ganzen Bemühungen:
Alle Kois segneten das Zeitliche.


K machte Schadensersatzansprüche in Höhe von rund 180.000,00 € geltend.


Der vom Gericht beauftragte Sachverständige hat festgestellt, dass schon allein die von G empfohlene Dosierung des Breitbandmittels eine für das Versterben der Kois ursächliche Überdosierung gewesen sei.

Weshalb K auch im Wesentlichen obsiegte - nur noch der genaue Betrag war noch zu klären.


Das Urteil ist hier nachzulesen:
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/k..._20120322.html



Noch zwei Anmerkungen:


1.

D wird in dem Urteil als "Drittwiderbeklagte" bezeichnet.
Das liegt daran, dass sie eigentlich neben ihrem Göttergatten auch Anspruchsinhaberin und damit Klägerin war. Allerdings hat sie wohl die maßgeblichen Gespräche geführt. Und in eigener Sache kann ein Kläger kein Zeuge sein. Also hat D ihre Ansprüche an K abgetreten, um als Zeugin auftreten zu können. Eine unter "Winkeladvokaten" beliebte Vorgehensweise, die aber nicht immer zwingend zum Erfolg führen muss.


2.
Über das Schicksal der "ncht näher bestimmten kleineren Fische" wird nichts berichtet. Traurig. Kann aber auch daran liegen, dass es von den Parteien des Rechtsttreits dem Gericht nicht mitgeteilt wurde - was natürlich auch ein bezeichnendes Licht auf den Kläger und dessen Bewertung von Lebewesen wirft.


Gruß
Otocinclus2
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