22.08.2018, 20:42 | #1 |
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Infantizid zur Vermehrungsoptimierung bei Fischen
Zu den größten Freuden eines jeden Aquarianers gehört es sicherlich, wenn sich die von ihm gepflegten Fische vermehren. Erst recht dann, wenn es mit einem interessanten Verhalten verbunden ist, wie z.B. einer intensiven Brutpflege wie bei Labyrinthern oder Barschen.
Und da kann man hier immer wieder von herben Enttäuschungen lesen. Da ist einer stolz wie Bolle über das frische Gelege seiner Zwergbuntbarsche - und am nächsten Morgen ist es weg! Nicht selten von den Elterntieren selbst gefressen. Dann kommen natürlich die Fragen: Was habe ich falsch gemacht? Und dann folgen die unterschiedlichsten Antworten: Falscher Beibesatz, falsche Wasserwerte, nicht richtig gefüttert, die Tiere sind einfach noch zu jung und müssen es erst noch lernen... Es kann aber einen Grund haben, der mit den Haltungsbedingungen nichts oder wenig zu tun hat. Nämlich Infantizid (Kindstötung) zur aus Sicht des tötenden Tieres besseren Vermehrung seiner Gene. Japanische Wissenschaftler haben dies durch Untersuchungen beim Schleimfisch Rhabdoblennius nitidus festgestellt. https://www.spektrum.de/news/unzufri...kinder/1585560 "Bei einigen Fischen übernehmen Väter die Aufgabe, sich um den ungeschlüpften Nachwuchs zu kümmern. In diese Gruppe gehört auch der Schleimfisch Rhabdoblennius nitidus: Nachdem das Männchen ein Weibchen durch intensive Balzbemühungen von sich überzeugt hat, darf er ihre abgelaichten Eier befruchten, woraufhin sie davonschwimmt. Dann übernimmt das Männchen die Aufgabe, das Gelege zu umsorgen, bis die jungen Fische schlüpfen. Gelegentlich läuft in dieser Phase allerdings einiges schief: Statt die Eier zu bewachen, frisst der Jungvater den Nachwuchs auf – wahrscheinlich aus Hunger, so die bisher beste Theorie der Fischforscher. Stimmt nicht, meinen nun Wissenschaftler in einem Beitrag in »Current Biology«: Die Fischväter handeln eher aus Berechnung. Forscher um Yukio Matsumoto hatten männliche Rhabdoblennius-Exemplare bei ihren Experimenten an der Universität Nagasaki intensiv beobachtet und mit allerlei Methoden analysiert. Dabei war zunächst aufgefallen, dass durchaus auch gut genährte Männchen das ihnen anvertraute Gelege fraßen. Doch die Männchen verspeisen die Eier nicht immer – oft schaffen sie sie auch mit dem Maul aus dem Nest und spucken sie einfach ins Abseits. Beide Verhaltensweisen kamen vor allem dann vor, wenn die Zahl der Eier im Gelege recht klein war. Offenbar handelten die Männchen also dann, wenn sie eher wenige Nachkommen aus dem von ihnen bewachten Gelege zu erwarten hatten. Ein wesentlicher Faktor für das Verhalten ist dabei der Hormonspiegel im Blut der Männchen, wie Matsumoto und Kollegen herausfanden: In Gegenwart von befruchteten Fischeiern sinkt der Testosteronwert der Tiere auf einen extrem niedrigen Wert. Dies sorgt dafür, dass die Männchen in die Brutpflege einsteigen, vor allem aber auch dafür, dass sie alle weiteren Balzbemühungen einstellen. Bei einer unbefriedigend niedrigen Zahl von Eiern suchen die Fische dann einen drastischen Ausweg aus dem hormonellen Dilemma: Sie entfernen die Eier, die ihren Hormonspiegel senken, um erneut – womöglich mit größerem Erfolg – ins Paarungsgeschäft einsteigen zu können. Das Schleimfischverhalten ist somit kein Kannibalismus zur optimierten Energiegewinnung, sondern eine besondere Variante des Infantizids, bei dem Männchen Kinder ihrer Partnerinnen töten, weil sie dadurch eine für die Weitergabe ihres Erbguts günstigere weitere Paarung forcieren." Noch nicht erforscht (soweit für mich ersichtlich) ist die Frage, ob und wie weit dieses Verhalten auch bei Fischen verbreitet ist, die zu den von uns gepflegten Arten gehören. Und ob dieses Verhalten auch bei Arten vorkommt, bei denen beide Elterntiere die Brutpflege gemeinsam betreiben. So könnte es meines Erachtens durchaus in den Sinn dieses Infantizid-Musters passen, wenn z.B. ein brutpflegendes Ramirezi-Paar unbefruchtete und verpilzte Eier aussortiert und dann "meint", dass das Gelege zu klein geworden ist und den Aufwand nicht mehr lohnt. Da könnte es gerade auch bei einer so kurzlebigen Art im Sinne einer optimierten Vermehrungsstrategie sinnvoller sein, keine Zeit mit einem zu kleinen Gelege zu vertrödeln, sondern statt dessen das alte Gelege zu "entsorgen", um schnell einen neuen Versuch zu starten - mit der Chance auf ein besseres Ergebnis. Fazit: Es müssen wohl nicht immer unbedingt Haltungsfehler sein, die zum Verschwinden eines Geleges bei brutpflegenden Fischen führen. Gruß Otocinclus2 |
22.08.2018, 21:12 | #2 |
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@ Oto,
dankeschön - das ist sehr interessant - eben, weil es eine andere Warte der gängigen Betrachtungsweise ist. Ich finde, es klingt durchaus schlüssig. Und erscheint mir garnicht so weit hergeholt , so ein Verhalten unserer Aquarienfische auch unter ganz ähnlichen Aspekten zu beleuchten . |
26.08.2018, 16:05 | #3 |
Moderator a.D.
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Hi allerseits,
durchaus ein interessanter Link. Aber durchaus nichts ungewöhnliches. Bei eigentlich allen mir bekannten, brutpflegenden Fischen stellen diese die Versorgung der Eier/Jungfische ein, sowie die Anzahl der Jungen unter eine kritische Grenze sinkt. Ob ein Buntbarschpärchen 5 oder 50 Junge "führt", der Pflegeaufwand ist fast gleich groß. Und in der Natur wird es meist vermieden "ineffektiv" zu arbeiten. Insbesondere gilt das bei allen Tieren (und längst nicht nur Fischen!, sondern beispielsweise auch Vögeln), die Ihre Jungen nicht direkt mit Futter versorgen, wie die Säugetiere, sondern die sie nur behüten und in futterreiche "Weidegründe" führen. Hühner, Enten und andere Vogeleltern mit nestflüchtenden Jungen kümmern sich beispielsweise hingebungsvoll um einen großen Kükentrupp. Schrumpft dieser (aus welchen Gründen auch immer) zu sehr, werdn sie häufig immer nachlässiger. im Extremfall ignorieren sie das/die letzten Jungen völlig oder vertreiben/töten sie sogar. Tschüß, Schneckinger |
26.08.2018, 19:37 | #4 |
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Hallo,
Sehr interessant. Allerdings, wenn der Laich verpilzt oder die Jungfischgruppe kleiner wird, dann liegt wohl erstmal ein Haltungsfehler vor. Bzw. Keine optimalen Verhältnisse zur gesunden Vermehrung. |
27.08.2018, 06:24 | #5 |
Moderator
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Hi.
Ich hatte das Problem auch schon gelegentlich, keine Fressfeinde und trotzdem Laich weg. Ein paar mal stellte sich heraus das ein Elterntier wohl nicht Fortpflanzungsfähig war, passiert. Oft waren sie noch recht jung, da passiert das oft. Wenn die Gelege verpilzen, muss das nicht auch zwangsläufig ein Haltungsfehler sein, Jungtieren passiert das oft. |
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