26.09.2017, 00:47 | #1 | ||
Registriert seit: 29.09.2011
Beiträge: 1.193
Abgegebene Danke: 237
Erhielt: 624 Danke in 273 Beiträgen
|
"Mythbusters": Mythen und einseitige Dogmen in der Aquaristik
Hallo zusammen,
sonst ist das ja eher Algerichs Spezialität, derartige Themen zu starten , aber mich beschäftigt schon länger die Frage, woher denn so einige "Weisheiten" der Aquaristik kommen und warum sie sich trotz lückenhafter Nachvollziehbarkeit oder mangelnder Kausalität so hartnäckig halten. Dass Alles, was man in der Aquaristik tun kann und lassen sollte, sich in gewissen Grenzen bewegt, ist selbstredend. Prinzipiell bin ich allerdings der Auffassung, dass oftmals viele Wege nach Rom führen und Toleranz eine Tugend ist. Mir fallen da einige Dinge ein, die ich als Mythos - weil offensichtlich nicht richtig -, oder als Dogmen - weil zwar offensichtlich richtig, aber ohne Anspruch auf Ausschließlichkeit - einsortieren würde. Damit meine ich nicht solche Dinge wie z.B. Schneckingers Ausführen zu Buntbarschen und Panzerwelsen. Das ist nachvollziehbar und kausal begründet. Ein solches Thema hat durchaus das Potential, in leidlich bekannten unseeligen Diskussionen auszuarten, daher meine nochmalige Bitte um Sachlichkeit und Toleranz. Schön wäre nicht nur eine Auflistung, sondern auch eine Analyse der Ursachen eines Mythos bzw. eines einseitigen Dogmas. In etwa in dieser Form:
Ich fange gleich mal mit einer Sache an, obwohl die Liste in meinem Kopf noch deutlich länger ist: Aussage: "Malawibecken brauchen zwingend eine besonders starke Filterung, sowohl was das Filtervolumen als auch den Filterdurchsatz angeht" Begründungen
Zweifel Meine eigenen Erfahrungen zeigen, dass ein Filter für ein Malawibecken nicht größer sein muss als ein Filter in einem vergleichbar großen Gesellschaftbecken mit ähnlich starkem Besatz. Ein größerer und/oder stärkerer Filter schadet zwar nicht (obwohl es auch so etwas wie Überfilterung gibt), ist aber nicht notwendig.
Vermutete Herkunft und Ursachen Die allermeisten der im Malawisee vorkommenden Arten zeigen ein ausgeprägt aggressives Revierverhalten und beanspruchen große Reviere, so dass es im Aquarium schwierig wird, dem Rechnung zu tragen. Der Hauptgrund dafür, dass ein Malawibecken eigentlich nie groß genug sein kann, ist eher nachrangig in der Größe der Fische zu suchen sondern vor allem in den Ansprüchen an die Reviergrößen. Auch bei vermeintlich ausreichender Größe des Beckens ist es nicht immer einfach einen Besatz so zusammenzustellen, dass die Fische sich nicht gegenseitig an die "Wäsche gehen" und in der Folge Verluste zu beklagen wären. In der Vergangenheit (und auch heute noch) wurde oft ein "leichter" Überbesatz als das Mittel der Wahl propagiert, dann verhielten die Fische sich friedlicher. Tatsächlich kann man in überbesetzten Becken ein deutlich vermindertes Aggressionspotential beobachten. Dahinter steht aber der eher zweifelhafte Ansatz der Lage Herr zu werden, indem man die "Verzettelung des Feindcharakters" ausnutzt. Wenn so viele Fische im Becken sind, dass jeder Revierinhaber sich mit zu vielen potentiellen Eindringlingen gleichzeitig auseinandersetzen muss und gleichzeitig sich den Angriffen anderer Revierinhaber ausgesetzt sieht, dann gibt er zwangsweise sein Revierverhalten ganz auf und wird "friedlich". In solchen überbesetzten Becken fällt dann natürlich mehr "Dreck" an. Zwar nicht durch den angeblich starken Stoffwechsel der einzelnen Fische, sondern ganz einfach durch die Masse der Fische!!! Und dann braucht man tatsächlich einen größeren leistungsstärkeren Filter. Da zusätzlich ja auch das Märchen vom starken Stoffwechsel kursiert und die Fische aus einem nahrungsarmen Habitat immer hungrig sind ("wer weiß wann es das nächste Mal was gibt"), werden viele Malawis überfüttert und werden zu verfetteten Riesen, die größer werden als in der Natur. Da muss der Filter dann natürlich noch größer werden. Schlussfolgerung Unter dem Strich ist die Aussage der Notwendigkeit eines besonders großen leistungsstarken Filters nicht den tatsächlichen Anforderungen geschuldet, sondern vielmehr ergibt sich diese Notwendigkeit aus falschen Haltungs- und Fütterungsbedingungen.
|
||
26.09.2017, 07:13 | #2 |
Registriert seit: 15.05.2012
Ort: Nordhessen
Beiträge: 1.836
Abgegebene Danke: 625
Erhielt: 682 Danke in 358 Beiträgen
|
Hallo Hannes,
zuerst einmal danke für dieses interessante Thema und den Anstoß dafür! Ich versuche mich mal und hoffe, dass das deinem Leitgedanken entspricht: Die Aussage: “Um Algen zu bekämpfen, sollte man „Algenfresser“ (wie z.B. Ohrgitterharnischwelse oder Schnecken) einsetzen!“ Die oft aufgeführte Begründung: Diese Tiere fressen die Algen. Eigene Entkräftigung: Die als „Algenfresser“ bezeichneten Tiere fressen nicht die Algen, sondern nur die in den Algen befindlichen Mikroorganismen. Zudem beseitigen diese nicht die Ursache des Algenaufkommens. Analyse der Herkunft: Die ergibt sich aus der gerade genannten Entkräftigung: dadurch, dass die Tiere die Algen abgrasen, hat es wohl den Anschein, dass sie die Algen auffressen. Ist zwar etwas kurz geraten, aber um den Anfang zu machen und etwas beizutragen... Grüße, Gerd |
26.09.2017, 21:56 | #3 | ||
Registriert seit: 29.02.2016
Ort: 36041 Fulda
Beiträge: 2.339
Abgegebene Danke: 665
Erhielt: 663 Danke in 495 Beiträgen
|
@Hannes, hallo
o.k., ich mach weiter. Mythos /Aussage : Es ist Tierquälerei, Guppys eingeschlechtlich zu halten. Begründungen : 1.das Verhalten männlicher Guppys bestehe vorwiegend aus Balz und Vermehrung - wenn man ihnen das vorenthielte, würde man diesen Fischen jegliche Lebensqualität rauben. 2. die eingeschlechtliche Haltung männlicher Guppys verstoße gegen das Tierschutzgesetz. Zweifel : a. meine persönliche Erfahrung zeigt mir, dass männliche Guppys in eingeschlechtlicher Haltung ziemlich offensichtlich nicht leiden. Sie schwimmen munter umher, in kleinen Gruppen, nie allein, sie fressen, spielen miteinander, machen einen gesunden und agilen Eindruck. b. ich kann nicht nachvollziehen, warum ausgerechnet männliche Guppys unter eingeschlechtlicher Haltung leiden sollten. Das Unlogische ist bei diesem Mythos, dass nur männliche Guppys angeblich leiden sollen - nicht auch weibliche Guppys, nicht andere Lebendgebärende in eingeschlechtlicher Haltung, nicht die vielen verschiedenen Aquarienfischarten, bei denen weder das Geschlecht bekannt ist, noch Wert darauf gelegt wird ( Beispiel viele Salmler und Bärblingsarten ) Ja, bei manchen Fischarten wie Ancistrus spec. gehen die Haltungsempfehlungen sogar explizit in Richtung Einzelhaltung. c. der diesbezüglich gern zitierte Text im Tierschutzgesetz lautet: "Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen " . Ich kann nicht erkennen, warum ich einen männlichen Guppy in eingeschlechtlicher Haltung schlechter pflege oder weniger verhaltensgerecht unterbringe als andere Fische unter der gleichen Prämisse. Analyse der Herkunft und Ursachen: Kann ich nur spekulativ beantworten . Männliche Guppys wirken sehr auffällig triebhaft, daraus wird dann abgeleitet, dass sie unter eingeschlechtlicher Haltung leiden müßten. Die - wissenschaftlich in keinster Weise belegte - Behauptung, es seie Tierquälerei, männliche Guppys eingeschlechtlich zu halten, stammt von Privatpersonen und wird im Internet und in Foren verbreitet.
|
||
26.09.2017, 22:36 | #4 | ||
Gast
Beiträge: n/a
|
Es ganz sicher keine Tierquälerei Guppys oder andere Fische eingeschlechtlich zu halten. Es ist aber auch nicht artgerecht i.S.d. Tierschutzgesetzes da das natürliche (also das artgerechte) Vorkommen eben nicht nach Geschlechtern getrennt ist sondern immer in zweigeschlechtlichen Gruppen. Ich denke das dürfte unbestritten sein. Und zu einer artgerechten Haltung gehört nunmal auch die Vermehrung/ das Balzverhalten etc..
Aber Tierquälerei ist es wirklich nicht, das wäre wohl zu weit her geholt.
Geändert von Gast1 (26.09.2017 um 22:40 Uhr) |
||
26.09.2017, 22:41 | #5 | ||
Moderator
Registriert seit: 04.03.2014
Beiträge: 2.517
Abgegebene Danke: 656
Erhielt: 731 Danke in 399 Beiträgen
|
Hallo,
keinesfalls möchte ich das schöne von Hannes ins Leben gerufene Thema in einer Detaildiskussion versanden lassen. Vielleicht finde ich in der nächsten Woche die Zeit, mich mit § 2 TierSchG zu befassen und dazu ein wenig zu schreiben. An dieser Stelle nur so viel: Ob ausgelebte Sexualität ein Bedürfnis im Sinne von § 2 TierSchG ist, scheint mir fraglich, gerade, weil mein Blick auf die in Einzelhaltung lebende, sterilisierte schwarze Katze zu meiner Linken mich sonst veranlassen müsste, Kontakt zu einem hoffentlich guten Strafverteidiger aufzunehmen ... Gruß! Algerich
|
||
26.09.2017, 22:45 | #6 | |
Gast
Beiträge: n/a
|
Zitat:
man sollte vielleicht nicht unbedingt domestizierte Haustiere wie Katzen mit nicht domestizierten Tieren wie in diesem Fall Fischen gleichsetzen. Aber ich möchte den Thread nicht sprengen und halte mich deshalb hier mit weiteren Äußerungen diesbezüglich zurück. |
|
26.09.2017, 22:49 | #7 |
Moderator
Registriert seit: 04.03.2014
Beiträge: 2.517
Abgegebene Danke: 656
Erhielt: 731 Danke in 399 Beiträgen
|
Hallo Deumb,
Dein Einwand ist berechtigt. Lassen wir dieses Thema weitergehen: wir finden bestimmt einen Platz, uns hierüber austauschen zu können. Beste Grüße! Algerich |
26.09.2017, 22:50 | #8 |
Gast
Beiträge: n/a
|
So sei es Algerich!
|
26.09.2017, 23:00 | #9 | |
Registriert seit: 11.07.2015
Beiträge: 2.628
Abgegebene Danke: 510
Erhielt: 1.730 Danke in 958 Beiträgen
|
Zitat:
Hallo Deumb, als "nicht domestiziert" dürfte man m.E. bei den Fischen wohl nur die Wildfänge bezeichnen, nicht aber die Nachzuchten, die sich nicht selten schon so am andere (unsere) Wasserwerte gewöhnt haben, dass sie im Ursprungshabitat ihrer Vorfahren wohl schon Probleme haben könnten. Da sind die Grenzen vielleicht noch fließend. Ganz sicher wird man aber die vielen Zuchtformen, die in der Natur überhaupt nicht zu finden sind, als domestiziert ansehen können oder sogar müssen. Und ob denen die Domestizierung gut getan hat? Nun ja, da kann man geteilter Meinung sein. Aber darüber müssen/sollten wir hier keine Diskussion vom Zaun brechen, zumal es mit dem Ursprungsthema "Mythen" nicht viel zu tun hat. Gruß Otocinclus2 Edit: Hab die letzten beiden Beiträge übersehen. Das kommt davon, wenn man nur so elend langsam tippen kann. :-( Geändert von Otocinclus2 (26.09.2017 um 23:02 Uhr) |
|
26.09.2017, 23:18 | #10 | ||
Registriert seit: 11.07.2015
Beiträge: 2.628
Abgegebene Danke: 510
Erhielt: 1.730 Danke in 958 Beiträgen
|
Da ich bekanntlich nicht schnell tippen kann (Zwei-Finger-Such-System ), deshalb selbst für einen Dreizeiler eeewig brauche und deshalb schon aus Selbsterhaltungstrieb dementsprechend schreibfaul bin, verlinke ich jetzt mal einfach eine Seite und gebe nur eine kurze Inhaltsangabe der dort aufgeführten Mythen wieder:
Nur zu! Edit: Ich hab vergessen, den Link reinzukopieren. Hier ist er nun: http://aquabits.de/mythen-und-maerchen/ Gruß Otocinclus2
Geändert von Otocinclus2 (27.09.2017 um 20:25 Uhr) Grund: Link ergänzt |
||
Themen-Optionen | |
|
Ähnliche Themen | ||||
Thema | Autor | Forum | Antworten | Letzter Beitrag |
Aquahobby Fischfutterhandel - Aquaristik Produkte mit "Hai-Quality" | Niklas2 | Händler Forum | 0 | 25.08.2015 11:47 |
Tips für "Aquaristik-Läden" in meiner Umgebung... | mheymann76 | Archiv 2009 | 6 | 19.01.2009 16:56 |
23x "Aquaristik Aktuell" | cody | Archiv 2004 | 1 | 27.04.2004 13:42 |
Aquaristik für dumme oder "Was soll ich tun??" | Chaser | Archiv 2003 | 7 | 14.03.2003 19:55 |
Bedenkliche Aquaristik"fach"geschäfte | Brontofröhn | Archiv 2002 | 8 | 05.06.2002 11:11 |